20.11.2012

Patientenorientiertes Arbeiten im Mittelpunkt

Erster Multiplikatorenlehrgang zum Thema technische Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen im Kreis.

Weinstadt, 18. November 2012: Verkehrsunfälle sind nur eine von zahlreichen Aufgaben, zu denen die Feuerwehren im Rems-Murr-Kreis regelmäßig ausrücken müssen. Ständige Verbesserungen beim Unfallschutz, neue Rettungsgeräte und medizinische Erkenntnisse erfordern aber kontinuierliche Fortbildung in diesem Bereich. Aus diesem Grund fand am Samstag zum ersten Mal ein Multiplikatorenlehrgang zum Thema technische Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen des Rems-Murr-Kreises für Feuerwehrleute statt. Insgesamt 21 Feuerwehrleute aus Berglen, Fellbach, Korb, Rudersberg und Murrhardt wurden von dem zehnköpfi gen Ausbilderteam in Weinstadt geschult. Die Feuerwehrleute beschäftigten sich einen ganzen Tag intensiv mit dem Vorgehen bei Verkehrsunfällen und tauschten sich über ihre eigenen Erfahrungen aus. Denn bei einem Verkehrsunfall wird einheitlich und bedacht vorgegangen. „Patientenorientiertes Arbeiten steht dabei im Mittelpunkt“, so Ausbilder Bernd Fetzer der Freiwilligen Feuerwehr Auenwald. Rettungsdienst und Feuerwehr müssen daher wie ein präzises Uhrwerk zusammenarbeiten. Die Zeit ist natürlich begrenzt – man spricht von einer „golden hour of shock“ was bedeutet, dass die Retter idealerweise in einer Stunde den Unfallort erreicht haben, den Patienten erstversorgt und befreit haben und dieser vom Rettungsdienst in eine Klinik gebracht wurde. Damit in dieser kurzen Zeit alles geregelt abläuft, gehen die Retter der Feuerwehr immer nach dem sogenannten Rettungsgrundsatz „Sichern, Zugang schaffen, lebensrettende Sofortmaßnahmen, Befreien“ vor. Und genau diese Punkte standen im Mittelpunkt des Lehrgangs.
Da nicht jede Feuerwehr im Kreis mit Schere und Spreizer, im Fachjargon „hydraulischer Rettungssatz“ genannt, ausgestattet ist, konzentrierte sich die Ausbildung auf das Arbeiten mit dem Standardmaterial, wie Schläuchen, Leitern und Brechwerkzeugen.
Kreisbrandmeister Andreas Schmidt kennt die Zahlen genau: „Die Feuerwehren halten über den gesamten Rems-Murr-Kreis verteilt 42 hydraulische Rettungssätze vor, um immer innerhalb einer kurzen Interventionszeit helfen zu können.“ Eine Feuerwehr ohne hydraulischen Rettungssatz muss aber nicht tatenlos an einer Unfallstelle herumstehen, sondern kann bereits mit Punkt 1. des Rettungsgrundsatzes beginnen – dem Sichern. Hierzu gehört eine ganze Reihe von Maßnahmen, wie dem Absichern gegen den fließenden Verkehr mit Warndreiecken, Leuchten und Hütchen. Aber auch dem Sichern des Unfallfahrzeugs an sich.
Beim Sichern der drei Übungsautos auf dem Parkplatz vor dem alten Mineralbad Cabrio in Endersbach, legten sich die Teilnehmer voll ins Zeug. Währen ein Feuerwehrmann gerollte Schläuche unter den „Unfallwagen“ schiebt, hebt ein anderer diesen am Radkasten kurz an und schon sitzt das Auto satt auf. Das Fahrzeug kann also nicht mehr wegrollen und bricht beim späteren Zerschneiden tragender Teile nicht unkontrolliert auseinander. An einer anderen Station wird schon ein auf der Seite liegendes Auto mit Leitern und Leinen so verspannt, dass die Einsatzkräfte sicheren Halt für die weiteren Rettungsarbeiten haben. Letztendlich müssen die Feuerwehrleute immer damit arbeiten, was gerade an der Einsatzstelle verfügbar ist – Improvisation wird in diesem Fall also groß geschrieben. Auch aktuelle Entwicklungen im Automobilbereich standen natürlich auch auf dem Ausbildungsprogramm. Denn Pkw und Lkw werden ständig fortentwickelt. „Die technischen Entwicklungen im Automobilsektor, die unsere Autos immer sicherer werden lassen, sind durchweg erfreulich. Allerdings stellen die Sicherheitssysteme, wie Airbags, Verstärkungselemente etc. die Feuerwehr bei schweren Unfällen vor immer wieder neue Herausforderungen. Sich mit diesen Entwicklungen vertraut zu machen und durch entsprechende Rettungstechniken eine patientengerechte Rettung zu gewährleisten, ist das Ziel der Ausbildungen,“ erklärt Kreisbrandmeister Andreas Schmidt den Hintergrund. Zu diesen neuen Herausforderungen gehört beispielsweise auch, dass Feuerwehrleute nun immer hinter die Inneverkleidung moderner Autos sehen. Denn sie wollen sichergehen nicht versehentlich mit der großen Schere in eine nicht ausgelöste Airbagtreibladung zu schneiden. Beim Zerschneiden solcher nicht ausgelöster Treibladungen könnten diese auslösen und Patienten wie Retter verletzen. Ebenso lassen sie den Zündschlüssel im Unfallwagen in der Regel stecken, denn moderne Ein- und Aussteighilfen fahren sonst automatisch den Sitz in eine andere Position. Auch das ist für eingeklemmte Patienten natürlich gefährlich. Bei so vielen Kleinigkeiten auf die geachtet werden muss hilft der Rettungsgrundsatz und „einfach Mal trotz all dem Trubel 10 Sekunden die Lage überblicken und die nächsten Schritte planen,“ weiß Ausbilder Fetzer.
Kurz vor Sonnenuntergang waren endlich alle Übungspuppen aus den Pkws gerettet und die Teilnehmer wie Ausbilder zogen ein positives Fazit. Das Wissen wird nun von den Multiplikatoren weiter in die einzelnen Wehren getragen. Auch Kreisbrandmeister Schmidt ist zufrieden mit dem Ausbildungsansatz: „Das System der übergreifenden Ausbildung ist im Rems-Murr-Kreis schon seit vielen Jahren in unterschiedlichen Ausbildungsbereichen bewährt. Ausbilder aus unterschiedlichen Feuerwehren, die ihre besonderen Fähigkeiten verbinden, können ideal eine qualitativ hochwertige, einheitliche Ausbildung der Feuerwehrangehörigen ermöglichen.“

Text und Bilder: Tim Maier, Freiwillige Feuerwehr Weinstadt